David
David ist eine der wichtigsten Personen des Alten Testaments und einer der größten Könige Israels. Er war ein großer Krieger, der sein Königreich in alle Richtungen erweiterte, Jerusalem eroberte und es zu seiner Hauptstadt machte. Er gilt als Stammvater von Jesus: Gott versprach David „den ewigen König aus seinem Geschlecht”.
David wurde schon dann zum zukünftigen König Israels gesalbt, als er Hirtenknabe war. Aus dieser Zeit stammt auch die Geschichte über seinen Kampf gegen den Philister-Helden Goliat, in dem David den Riesen mit Schleudersteinen besiegt.
Der Sieg des tapferen und gescheiten Hirten über Goliat symbolisiert Davids Kampf gegen die Philister und deren Eroberung schon als König Israels, was wiederum den Sieg Jesus über Satan prophezeit. Im Italien der Renaissance war David das Symbol für den Freiheitskampf und den Widerstand gegen die Tyrannei. Ebenso hat man versucht, die Abbildung an der Banklehne des Rathauses als Symbol der Widersprüche zwischen der Tallinner Unterstadt und dem Domberg zu deuten, wobei David die Unterstadt darstellt, die vom Rat beherrscht wird. (Als ein Beispiel und Kulmination dieser in der Geschichtsliteratur für wichtig gehaltenen Widersprüche gilt der Fall des Gutsherrn von Riisipere, Johann von Üxküll, welcher aber in der Tat ein Jahrhundert später als die Fertigstellung der Banklehnen stattfand, d.h. im 16. Jh. Über diese Geschichte kann man im Keller des Rathauses mehr erfahren.)
Das Ratsgestühl als Ganzes betrachtend ist Davids Kampf mit Goliat vor allem das Zeichen der Heldenhaftigkeit Davids. Der tapfere Krieger und Vereiniger des Volkes, der gerechte Herrscher, Poet und Musiker – so wurde David im Mittelalter für einen der würdigsten Helden und ein Vorbild der Könige gehalten. Als Mann aber konnte auch er nicht der Schönheit des weiblichen Körpers und seiner erotischen Leidenschaft widerstehen. Dies ist auch der Grund, warum er an den Banklehnen des Rathauses zusammen mit Simson, Aristoteles und Tristan dargestellt wird.
Geschite von Davids Kampf mit Goliat
(Altes Testament, 1. Buch Samuel 17)
Nachdem Prophet Samuel im Auftrag Gottes David zum zukünftigen König Israels gesalbt hatte, hütete David immer noch die Schafe seines Vaters. Seine älteren Brüder kämpften gleichzeitig im Heer des Königs Saul gegen die Philister, die Israel angegriffen hatten. Der Held der Philister, der riesige Goliat wollte den Krieg in einem Zweikampf entscheiden: Das Heer des Verlierers sollte sich dem Sieger ergeben. Einmal, als Vater David auf den Kriegsschauplatz schickte, um den Brüdern etwas zu essen zu bringen und nach ihnen zu schauen, sah David den Riesen und hörte seine Herausforderung. David bot sich selbst an, um gegen Goliat zu kämpfen. Als der König dachte, dass der junge und unerfahrene Hirte den unbesiegbaren Krieger nicht überwindet, sagte David:
„Dein Knecht weidete das Kleinvieh für seinen Vater. Kam nun ein Löwe oder ein Bär und trug ein Stück von der Herde fort, so lief ich ihm nach und schlug ihn und entriss es seinem Rachen; und erhob er sich wider mich, so ergriff ich ihn bei dem Barte und schlug ihn und tötete ihn. Sowohl den Löwen als auch den Bären hat dein Knecht erschlagen; und dieser Philister /…/ soll sein wie einer von ihnen /…/.”
Da stimmte König Saul zu, erlaubte ihn in die Schlacht zu ziehen und gab ihm seinen Panzer und sein Schwert. David aber war nicht daran gewöhnt, mit einem Panzer und einem Schwert zu gehen und legte sie ab. Er nahm seinen Hirtenstock, holte aus dem Bach fünf flache Steine und legte sie in die Hirtentasche, die als Schleudertasche diente. So ging er auf den kräftigen Krieger der Philister zu. David nahm einen Stein aus seiner Tasche und schleuderte ihn direkt an die Stirn des Philisters. Goliat fiel zu Boden. David zog sein Schwert aus der Scheide und schlug ihm den Kopf ab. Als die Philister sahen, dass ihr starker Mann tot war, flohen sie.
Geschichte von David und Bathseba
(Altes Testament, 2. Buch Samuel 11–12 )
An einem Abend auf dem Schlossdach spazierend sah David eine schöne Frau unten auf dem Hof sich waschend. Die Schönheit der Frau erweckte in David eine unwiderstehliche Leidenschaft. Er fand heraus, dass die Schöne die Ehefrau des Soldaten Urija war. David ließ sie durch Knechte holen und schlief mit ihr. Die Frau wurde schwanger. Um seine Tat zu verheimlichen, ließ David Urija, der im Krieg war, zu sich rufen, in der Hoffnung, dieser würde mit Bathseba schlafen und das Kind als sein eigenes anerkennen. Aus Solidarität mit anderen Soldaten blieb Urija aber für die Nacht draußen und weigerte sich, das eigene Haus zu betreten und bei seiner Frau zu schlafen. Als David verstand, dass es ihm nicht gelingt, seine Tat zu verheimlichen, sandte er Urija zurück in den Krieg mit einem Brief an seinen Heerführer mit dem Inhalt, Urija an die vorderste Front zu schicken, damit er umkomme. Nach dem Tod Urijas nahm David Bathseba zu sich. Gott aber tadelte Davids Handlungsweise und der Prophet Natan drohte ihm dafür Gottes Strafe an. Bathsebas Sohn starb und es kam zum Verfall der Regierung Davids – Ereignisse, die ihm und seinem Volk Tod und Schande brachten. Ein weiterer Sohn Bathsebas – Salomo – wurde aber nach David der neue König.
David als ein Minnesklave
In der Kunst wird Bathseba am häufigsten als sich waschend und David als sie vom Schlossdach aus beobachtend dargestellt. Die meisten von den Gemälden verbleiben aber in der Renaissance oder einer späteren Zeit. In der mittelalterlichen Kunst trifft man Bathseba fast nicht. Der Grund dafür war wahrscheinlich die Tatsache, dass die Darstellung des nackten Frauenkörpers damals nicht üblich war (als Ausnahme galt nur Eva). So wird auch an der Ratsbank vorzugsweise die Heldenhaftigkeit Davids dargestellt, was durch Davids Kampf mit Goliat symbolisiert wird. Der Löwe und der Bär im unteren Teil der Banklehne erinnern an Davids Worte an Saul vor dem Eintritt in den Krieg: „Sowohl den Löwen als auch den Bären hat dein Knecht erschlagen; und dieser Philister /…/ soll sein wie einer von ihnen /…/. Jehova, der mich aus den Klauen des Löwen und aus den Klauen des Bären errettet hat, er wird mich aus der Hand dieses Philisters erretten.” Von hier auch die Botschaft: Gottes Liebe verhalf David zum Sieg, aber irdische Liebe und Fleischeslust verursachten seinen Verfall. So ist in einem Bild noch eine andere Geschichte verborgen, was das an den Bänken Dargestellte zu einem Ganzen verbindet.
Der Verfasser der Banklehne des Rathauses ist nicht bekannt, aber der Stil weist auf das Vorbild der flandrischen Meister hin. Goliat ist zum Verwechseln ähnlich mit dem Relief des St. Georg vom berühmten flämischen Meister Jacques de Baerze an der Seitenwand des Kreuzigungsaltars im Kartäuserkloster von Champmol. Die Wirkungen der flandrischen Schule reichten bis Tallinn, unter anderem dank der Einfuhr der Altäre der flämischen Meister; eines der hervorragenden Beispiele dafür ist der Maria-Altar der Bruderschaft der Schwarzhäupter in Tallinn (jetzt im Niguliste-Museum).